Von Forschungsdrang und Rampenlicht
Was haben DNA-Doppelhelix, Filterkaffee und Stammzellen-Isolation gemeinsam? Sie wurden von Frauen erfunden beziehungsweise entdeckt. Umso erstaunlicher ist es eigentlich, dass Frauen in Wissenschaft und Forschung nach wie vor in der öffentlichen Wahrnehmung hintanstehen. Trotz aller Bemühungen um mehr Geschlechtergerechtigkeit sind nur rund 30 Prozent aller Forschenden weiblich, wobei die konkreten Zahlen naturgemäß rund um den Globus sehr stark variieren. Deutschland ist dabei keine Ausnahme: Der Frauenanteil im Bereich Forschung und Entwicklung liegt hier mit nur 29,4 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Mit 15,6 Prozent ist die Frauenquote in den Forschungsabteilungen deutscher Unternehmen besonders niedrig.
Berufe oder Positionen, die besonders stark von Stereotypen geprägt sind, werden immer noch weitgehend einseitig (männlich) besetzt. Aber warum eigentlich? Und wie können wir als Gesellschaft aktiv gegensteuern? Wir haben drei Kolleginnen mit naturwissenschaftlich-technischem Hintergrund nach ihren Erfahrungen gefragt.
Dr. Petra Schottke studierte nach ihrer Berufsausbildung mit Abitur in Leipzig Drucktechnik (Polygrafie). Sie entschied sich zunächst für den Weg als Hochschulassistentin und verfolgte parallel ihre Forschungen zum Thema „Feuchtmitteltransport in Druckwerken“ in Zusammenarbeit mit dem ostdeutschen Bogenoffset-Giganten Planeta. Nach der Promotion fand sie ihr neues Arbeitsfeld im Fachbereich Buchbindereimaschinen im Forschungsinstitut des ehemaligen Kombinats Polygraph.
Ihr damaliger Arbeitgeber, die Brehmer Buchbindereimaschinen GmbH Leipzig, und die Dr. Hubert H. A. Sternberg Stiftung, die ihr ein Stipendium finanzierten, ermöglichten ihr nach dem Mauerfall die einmalige Chance, ein halbes Jahr in den USA zu studieren. Der Auslandsaufenthalt im Masterstudiengang Printing Technology am RIT (Rochester Institute of Technology) erweiterte nicht nur ihren Horizont, sondern zahlte sich auch beruflich aus. Denn zurück in Deutschland war sie – neben ihrer Position als technische Assistentin des Chefkonstrukteurs – zeitweise auch als Dolmetscherin in dem Betrieb tätig, der in der Zwischenzeit von einem amerikanischen Unternehmen übernommen worden war. Um ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, entschied sie sich 1994 für eine Weiterbildung zur Wirtschaftsakademikerin, die ihr zwei Jahre später den Einstieg bei Planeta – der heutigen Konzernsparte Koenig & Bauer Sheetfed – ermöglichte.
Heute ist sie im Produktmanagement tätig – genauer gesagt für die kleinste Baureihe der Bogenoffsetmaschinen, das Halbformat – und kann ihr umfangreiches Wissen rund um Druckmedien und deren technische Spezifikationen täglich in die Praxis umsetzen. Noch wichtiger ist ihr aber der Umweltschutz und die damit verbundene Herausforderung, die Produktion sowie die dahinterstehende Technik nachhaltiger zu gestalten. Deshalb ist sie Ansprechpartnerin für alle Nachhaltigkeitsaktivitäten im Sheetfed-Bereich und treibt das Thema voran. Denn die Chance, ihre Herzensangelegenheit mit ihrem Beruf in Einklang zu bringen, ist für Petra Schottke ein echter Glücksfall.
Dr. Carolin Müller hat in Weimar Bauingenieurwesen studiert und während eines Erasmus-Aufenthalts in Stockholm darauf ein Masterstudium aufgesetzt. Ihr Interesse für Architektur und Baukonstruktion hatte einst ein Architekt während ihrer Schulzeit geweckt. Statt eines klassischen Architekturstudiums entschied sie sich jedoch für eine Kombination aus Bauingenieurwesen und Betriebswirtschaft.
2008 promovierte sie in Berlin im Fach Bauökonomie mit dem Schwerpunkt der Auswirkungen von energetischen Baumaßnahmen auf Projekte. Nebenbei arbeitete sie in Teilzeit bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Danach zog es sie nach Frankfurt, wo sie für ein Jahr Bankenluft schnupperte und in der Immobilienbewertung tätig war. Ein Quereinstieg ins Controlling führte sie nach Iphofen und 2017 schließlich zu Koenig & Bauer nach Würzburg. Hier leitete sie kurze Zeit später das Controlling der Holding, doch ihr beruflicher Wandel war damit noch lange nicht abgeschlossen.
Nach ihrer Elternzeit war sie 2023 bereit für neue Herausforderungen und absolvierte eine Umschulung zur Produktmanagerin. Nach langer Zeit in der Zahlenwelt ist sie glücklich, nun wieder näher an echten Produkten arbeiten zu können. Denn sie muss das gesamte Produktportfolio mit all seinen technischen Spezifikationen im Blick behalten. Ihr geschultes Transferverständnis kommt ihr dabei zugute und sie kann mit ihrem breit gefächerten Wissen einen Mehrwert für die Business Units schaffen. Auch der kommunikative Teil ihrer Arbeit gefällt ihr sehr gut, denn damit schafft sie tagtäglich Transparenz und hilft den Kund:innen von Koenig & Bauer, die für ihre Bedürfnisse optimal konfigurierte Maschine zu erhalten.
Die Physikerin Dr. Katrin Swimm begann ihr Studium 2001 in Würzburg und absolvierte zwei Auslandssemester in Edinburgh. Ein Ausflug zur Sternwarte in Erlangen verdeutlichte ihr einst, dass die Wissenschaft ihre Leidenschaft, das Universum zu verstehen, erfüllen kann. Nachdem sie jedoch feststellen musste, dass die Astrophysik nicht ganz so empirisch ist, wie sie sich das vorgestellt hatte, entschied sie sich für die experimentelle Physik.
Während ihrer Diplomarbeit am Center for Applied Energy Research (CAE) forschte sie zum Thema Wärmetransport in evakuierten Verglasungen. Als ihr das CAE eine Stelle als Doktorandin anbot, arbeitete sie dort fortan neben der Promotion als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Energieeffizienz. Vor allem die experimentelle und theoretische Untersuchung von wärmedämmenden, porösen Materialien mit der damit verbundenen energetischen Optimierung von Gebäuden und industriellen Prozessen interessierten sie damals besonders.
Nach einem kurzen Gastspiel in einer Softwarefirma bewarb sie sich 2023 erneut als Physikerin und gelangte so zu Koenig & Bauer. In der Abteilung Verfahrenstechnik und technische Innovation führt sie neben Trocknungsversuchen im Labor und an Druckmaschinen auch technische Berechnungen durch und analysiert die Ergebnisse für Anwendungsoptimierungen. In ihrem Team fühlt sie sich sehr wohl und genießt den abwechslungsreichen Austausch mit ihren Kolleg:innen, die alle unterschiedliche Hintergründe haben.
Dr. Petra Schottke, Dr. Carolin Müller und Dr. Katrin Swimm sind drei Mitarbeiterinnen von Koenig & Bauer, die sich nach wissenschaftlicher Karriere und Promotion für eine Anstellung in der freien Wirtschaft entschieden haben. Sie haben mit Fragen der Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Frauen und ihr Platz im wissenschaftlichen Umfeld
Dr. Petra Schottke und Dr. Carolin Müller haben in ihrer bisherigen Karriere beide den Eindruck gewonnen, dass es Frauen schwerer haben, ihren Platz im wissenschaftlichen Umfeld zu finden. Trotz eines sich immer weiter wandelnden Gesellschaftsbildes müssten sich Frauen ihrer Erfahrung nach im Studium stärker als ihre männlichen Kollegen durchsetzen. Auch die Anerkennung in Diskussionen sei oftmals nicht von vornherein auf Augenhöhe erfolgt. Beide sind aber überzeugt, dass jüngere Generationen einen positiven Einfluss auf die Zusammenarbeit haben. Diese Ansicht teilt auch Dr. Katrin Swimm, die in dieser Hinsicht generell eher positive Erfahrungen gemacht hat. Die Unterstützung bei der Familiengründung habe an Bedeutung gewonnen und erleichtere für beide Partner:innen eine Vereinbarung zwischen der Elternrolle im privaten und der Karriere im beruflichen Umfeld. Die Herausforderung, beiden Ansprüchen gerecht zu werden, liege ihrer Meinung nach aber weiterhin überwiegend bei den Frauen.
Aus Erfahrung lernen
Hier sind sich alle einig: Bei der Berufswahl sollte man auf sein Herz hören und sich für das entscheiden, was einem Spaß macht. Dabei spiele auch eine Rolle, was einem leicht fällt, denn für die Herausforderungen im Beruf brauche man ohnehin genügend Durchhaltevermögen. Wenn einem ein Studienfach von Natur aus leichter falle, sei das hilfreich, um die Motivation nicht zu verlieren. Aber egal was komme – die Leidenschaft für ein Thema sollte über den Zweifeln stehen. Dann habe man die Chance, seine Träume zu verwirklichen.
Lehren für die Zukunft
Im Rückblick auf ihre vielfältigen beruflichen Gestaltungsmöglichkeiten betont Dr. Carolin Müller, dass Wechsel zwischen den Fachrichtungen nach ihrer eigenen Erfahrung immer möglich und viel einfacher als zunächst angenommen seien. Aber auch nach dem Studium könne man sich noch neu orientieren. Nur weil man einen Abschluss in einer Fachrichtung habe, sei man noch lange nicht darauf festgelegt. Ganz im Gegenteil: Die erlernten Fähigkeiten zu transferieren, sei eine spannende Herausforderung. Ihr Tipp: Keine Angst zu haben, wenn sich Interessen verändern, sondern sich auf neue Perspektiven freuen. „Nur so lernt man jeden Tag dazu!“
Dr. Petra Schottke hat während ihres Studiums vor allem gelernt, dass eine klare und wertschätzende Kommunikation stets weiterhilft und nur so zu konstruktiven Lösungen eines Problems führt. Mit neuen Sichtweisen komme man immer einen Schritt weiter.
Auch die technische Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, wie schnell und tiefgreifend sich Veränderungen auf das tägliche Leben auswirken. Die Entwicklung der Technik hat ihre berufliche Laufbahn in völlig neue Bahnen gelenkt und ist damit ein Beispiel für die noch unbekannten Möglichkeiten, die in jedem Akt des Wandels und der Entdeckung noch schlummern. Sie revolutioniert nicht nur unsere Arbeitsweise, sondern auch einen großen Teil unserer Denkweise.
Was die Erfahrungen der drei Frauen unter Beweis stellen? Weder Zweifel noch Vorurteile sollten einen daran hindern, mit Idealismus und Nachdruck für die eigenen Interessen einzustehen.