Ihrer Zeit weit voraus: Unternehmensmanagerin Fanny Koenig
Wie würde Koenig & Bauer heute aussehen, wenn Unternehmensgründer Friedrich Koenig eine andere Frau geheiratet hätte? Würde es das Unternehmen überhaupt noch geben, hätte nicht Fanny Koenig in einer der schwersten Zeit echten Pionierinnengeist bewiesen? Es sind rein hypothetische Fragen, die zum Gedankenspiel verleiten über eine Geschichte, die es so nie gab. Warum es sich dennoch lohnt, sie zu stellen? Weil sie zeigen, wie wichtig die Person Fanny Koenig und ihr Handeln für das Unternehmen waren und bis heute sind.
Kindheit & Jugend
Über die frühen Jahre von Fanny Koenig ist nicht sehr viel bekannt. 1808 im thüringischen Saalfeld als Fanny Jacobs geboren, sollten sie, ihre drei Geschwister und ihre Mutter Johanna schon bald ein Leben in Armut fürchten. Mit dem frühen Tod des Vaters hatte die junge Familie ihre Existenzgrundlage verloren und zog in ihrer Sorge zurück nach Suhl, die Heimatstadt der Mutter. Wie es der Zufall so will, war Johanna eine Jugendfreundin von Friedrich Koenig, der bald von der misslichen Lage der Familie erfahren und sie daraufhin finanziell unterstützen sollte. Bei einem Besuch im Jahr 1825 lernte er die Kinder seiner Jugendfreundin, darunter auch die 17-jährige Fanny kennen. Die beiderseits Sympathie übersteigenden Gefühle führten noch im selben Jahr zur Eheschließung, aus der die zwei Söhne, Wilhelm und Friedrich, sowie eine Tochter, Louise, hervorgingen. Doch auch diesem Familienglück war nicht viel gemeinsame Zeit vergönnt: Nach gerade einmal acht Ehejahren verstarb Friedrich Koenig.
Junge Witwe voller Tatendrang
Reisen wir ins Jahr 1833: Friedrich Koenig ist gerade erst verstorben. Er hinterlässt nicht nur seine Frau und die drei Kinder, sondern auch ein Unternehmen, das – wie viele andere – mit der europaweit grassierenden Wirtschaftsflaute kämpft. Wie wird sich Fanny Koenig in dieser Situation wohl fühlen? Neben der Trauer um ihren verstorbenen Ehemann bestimmt die Sorge um die eigene Zukunft und die ihrer Kinder als ständige Begleiterin den Alltag. Wirklich Zeit, um sich mit ihrem Verlust zu arrangieren und die neue Rolle als alleinerziehende Mutter anzunehmen, bleibt ihr nicht. Die Auftragsbücher des einst aufstrebenden Unternehmens sind leer, von der stolzen Zahl an Mitarbeitern ist nur noch eine Handvoll übrig. Fanny Koenig sieht das Lebenswerk ihres Ehemannes, ihre Existenzgrundlage, untergehen. Und all das im frühen 19. Jahrhundert – einer Zeit, in der Frauenrechte noch nicht allzu groß geschrieben werden. Eine Zeit, in der der Anteil an Frauen, die außerhalb des eigenen Haushalts für Lohn arbeiten, verschwindend gering ist. Eine Zeit, in der an eine staatlich organisierte Sozialabsicherung noch nicht zu denken ist. Eine Zeit, in der Fanny Koenig alles beobachten, aber nichts tun kann. Oder etwa doch?
Obgleich ihr Engagement und ihr Aktionismus zunächst nicht gerade Jubelstürme bei dem Geschäftspartner ihres verstorbenen Gatten, Andreas Bauer, auslösen, gestattet der Unternehmer letztlich, dass Fanny Koenig die Arbeit als Korrespondentin der Fabrik übernimmt. Und wie so oft in der Unternehmensgeschichte von Koenig & Bauer sollten sich Mut und Zuversicht auch hier erneut bezahlt machen. Mit unternehmerischem Gespür für wichtige Geschäftsbeziehungen, ebenso wie für den richtigen Ton, verschafft Fanny Koenig dem Unternehmen mit nur zwei Anschreiben Aufträge für insgesamt drei Druckmaschinen. Zwei davon ordert die Leipziger Druckerei Breitkopf und Härtel, die andere wird ein Jahr später nach St. Petersburg geliefert.
Eine der ersten Unternehmensmanagerinnen der Welt
Man sagt, besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Die Situation, in der sich Fanny Koenig zu Beginn des Jahres 1833 befindet, darf wohl ganz objektiv als „besonders“ bezeichnet werden. Mit ihrem überaus engagierten Eingreifen in das von Männern dominierte Geschäftsfeld der Druckmaschinenherstellung trägt sie nicht nur dazu bei, dass Produktion und Vertrieb bei Koenig & Bauer wieder angekurbelt werden, sondern sie macht auch einen entscheidenden Schritt für die Emanzipation – lange bevor diese politische und gesellschaftliche Anerkennung erlangt.
In den folgenden Jahren entspannt sich die allgemeine Lage auf dem Markt wieder. Der Unmut, der zu Beginn der Industriellen Revolution die sogenannten „Maschinenstürmer“ hervorbrachte, legt sich um 1835 zusehends. Arbeiter und Bevölkerung konnten die anfänglichen Sorgen, durch Maschinen und ungelernte Hilfskräfte ersetzt zu werden, nach und nach hinter sich lassen. So füllen sich auch die Auftragsbücher von Koenig & Bauer allmählich. Und wieder ist es Fanny Koenig zu verdanken, die mit unermüdlicher Beharrlichkeit auf Andreas Bauer einwirkt, dem sich abzeichnenden Trend zu folgen und zumindest einen Teil der Belegschaft wieder einzustellen.
Doch ihr Blick endet nicht an den Pforten des Fabrikgeländes. Viele der krisenverschuldet entlassenen Mitarbeiter wohnen in direkter Umgebung in Oberzell. Der Großteil ist nach wie vor arbeitslos und leidet, aufgrund mangelnder Sozialabsicherung, mitunter Hunger. Für Fanny Koenig – vielleicht auch aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen in der Kindheit – ein unhaltbarer Zustand. Sie initiiert eine Suppenküche in der Klosterkirche, in der alle Bedürftigen mittags einkehren und speisen können. Es ist ein Akt der Nächstenliebe und ein Zeichen für das – für ihre Zeit außergewöhnliche – soziale Verantwortungsbewusstsein. Und es soll erst der Anfang sein, denn mit dem Eintritt der beiden Söhne Wilhelm und Friedrich in die Firma kann sich Fanny Koenig zunehmend den sozialen Themen des Unternehmens widmen.
Soziales Engagement
Nachdem Koenig & Bauer die Krisenjahre der frühen 1830er gemeistert hatte und den Erfolgskurs in den kommenden Jahrzehnten weiter ausbauen konnte, konzentrieren sich Fanny Koenigs Gedanken und Bemühungen nun noch intensiver auf die Lebensumstände ihrer Mitarbeiter. Sie weiß um die Sorgen der Angestellten und kann die Ungerechtigkeit kaum ertragen, dass ein Krankheitstag oder ein Arbeitsunfall für diese eine enorme finanzielle Bedrohung darstellen. Am 1. Januar 1855 gründet sie zusammen mit Andreas Bauer die Fabrikkrankenkasse, den Vorläufer der heutigen Betriebskrankenkasse. Fast 30 Jahre vor Otto von Bismarcks Sozialgesetzgebung bietet die Firma Koenig & Bauer ihren Angestellten damit ab sofort eine Absicherung gegen gesundheitliche Risiken, zu gleichen Teilen finanziert von der Belegschaft und dem Unternehmen. Neben der finanziellen Unterstützung im Krankheitsfall sichert die Fabrikkrankenkasse den Mitarbeitern auch Arztbesuche und chirurgische Behandlungen, sowie kostenfreie Medikamentenversorgung zu.
Später folgen auf Fanny Koenigs Bestreben außerdem eine Fabriksparkasse sowie eine Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse. Durch den wieder anziehenden Absatz an Druckmaschinen und die steigenden Verdienstmöglichkeiten wächst die Bevölkerung in Zell am Main schnell an. So sehr sich Fanny Koenig auch über den Erfolg ihres Unternehmens und das Wachstum der Belegschaft freut, so besorgt blickt sie zugleich auf die Situation der Kinder. Insbesondere ärmere, berufstätige Eltern können sich nicht um eine Betreuung ihrer Sprösslinge kümmern. Um dem entgegenzuwirken, gründet sie gemeinsam mit dem örtlichen Pfarrer im Jahr 1865 eine Einrichtung zur Betreuung der Kinder der Fabrikarbeiter. Die sogenannte „Kinderbewahranstalt“ wird sie mit einem jährlichen Beitrag mitfinanzieren.
Vermächtnis & Vorbild
Fanny Koenig schuf ein soziales Vermächtnis, das ihr Leben weit überdauert. Nach ihrem Tod am 1. April 1882 entstand aus dem Nachlass die „Fanny Koenigsche Holzstiftung“, die arme Menschen in Zell am Main mit Holz und Kohlen versorgte. Die einstige „Kinderbewahranstalt“ feierte 2016 als moderne Kindertagesstätte ihren 150. Geburtstag. Bis heute bietet die Betriebskrankenkasse Koenig & Bauer einen umfangreichen Versicherungsschutz für aktive und ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens.
Mit ihrem engagierten Eingreifen und den sozialen Errungenschaften hat Fanny Koenig die Unternehmenskultur von Koenig & Bauer nachhaltig geprägt und schon früh bewiesen, dass wirtschaftliche Weitsicht kein Geschlecht kennt und Frauen durchaus ihren Platz in der Industrie finden. Damit ist sie heute nach wie vor – oder vielleicht sogar mehr denn je – ein Vorbild für alle Mitarbeiter:innen bei Koenig & Bauer.
Dass Industriezweige im Allgemeinen, und die Druckmaschinenbranche im Speziellen, zu einem großen Teil männlich besetzt sind, kann nicht von heute auf morgen aufgelöst werden. Koenig & Bauer befasst sich jedoch aktiv mit der Förderung von Frauen im Unternehmen und richtet sich zum Beispiel auch in Stellenausschreibungen sowie auf Karrieremessen und mit der jährlichen Teilnahme am Girls’ Day gezielt an Bewerberinnen. Chancengleichheit gehört zu den fest verankerten Punkten in der Koenig & Bauer DNA.