Das neue Werk in Coswig kurz nach seiner Entstehung – seit 100 Jahren werden hier im Elbtal Bogenoffsetmaschinen gebaut

Aus Radebeul in die Welt: 100 Jahre Bogenoffset

Im Frühsommer 2022 blickt Koenig & Bauer auf ein ganz besonderes Jubiläum zurück: Seit 100 Jahren werden in Radebeul Bogenoffsetmaschinen hergestellt. Dass es dazu gekommen ist und die einstige Dresdner Schnellpressenfabrik so früh auf das damals noch junge Druckverfahren setzt, ist eine Geschichte von Mut, Visionen und der Begeisterung für Technik.

Unternehmen
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Nach der Erfindung des Offsetverfahrens durch Ira Washington Rubel und Caspar Herrmann gründete George Mann in Leeds das erste europäische Unternehmen für Offsetdruckmaschinen. Von diesem erwarb die Leipziger Druckmaschinenfabrik Schwiers, Werner & Stein die Patente und wurde so zur ersten Herstellerin von Bogenoffsetmaschinen auf dem europäischen Festland. Seit 1910 bot das Unternehmen Einfarben-Offsetpressen an, darunter später die Baureihe „Leipzig“. Nach 1920 entstanden Serien von sechs und zehn Maschinen dieses Modells.

1921 firmierte Schwiers, Werner & Stein als Leipziger Schnellpressenfabrik. Kurz darauf erfolgte der Zusammenschluss mit dem Dresdner Pendant zur späteren Dresden-Leipziger Schnellpressenfabrik. In diesem Zusammenhang wechselten erfahrene Konstrukteure und auch einige Facharbeiter aus Leipzig in das neue Werk in Coswig. Der Produktionsstandort für die Offsetmaschinen verlagerte sich in den Jahren 1921/22 ins Elbtal. Erst später – im Jahr 1924 – erfolgte der Eintrag der Dresden-Leipziger Schnellpressenfabrik ins Handelsregister. Aus diesem Unternehmen entwickelte sich das Druckmaschinenwerk Planeta und nach der deutschen Wiedervereinigung schließlich der heutige Koenig & Bauer-Standort in Radebeul.

Zunächst wurde die „Leipzig“ in Coswig weitergebaut. Ab 1922 kamen Zweifarbenmaschinen und kombinierte Zweifarben-Schön- und Widerdruckmaschinen der englischen Bauart hinzu. Im Juni ging die erste dieser neuen Maschinen nach Hannover. Der Bau von Bogenoffsetanlagen nahm in den 1920er Jahren Fahrt auf – und sie erhielten erstmals einen Namen, der in der Branche noch lange Gehör finden sollte: „Planeta“.

Vor 90 Jahren: Vom Zwei- zum Vierfarbendruck

Im Jahr 1928 entwickelten die Konstrukteure eine neue Bogenoffsetmaschine in Tandembauweise. Die Zweifarbenmaschine im Fünfzylindersystem erhielt den Namen Planeta Quinta und reihte sich in die erfolgreichen Bogenoffset-Modelle aus dem Elbtal ein. 

Indem man dann zwei dieser Druckwerke hintereinander schaltete und den Bogentransport zwischen den beiden über Ketten und Greiferwagen realisierte, war die nächste Innovation geboren: die erste Vierfarben-Bogenoffsetmaschine. 1932 gebaut – also vor exakt 90 Jahren – war sie unter dem Namen Planeta Deca auf der Fachmesse TPG in Paris zum ersten Mal zu sehen. Bedruckstoffe, Farben und Hilfsmittel hielten dem Nass-in-Nass-Druck mit vier Farben damals zwar noch nicht stand. Trotzdem ging die Maschine nach der Messe an eine Pariser Druckerei und produzierte dort bis ins Jahr 1966 hinein. Auch wenn die Planeta Deca ihrer Zeit voraus war, so setzte sie dennoch ein Zeichen, wie die Entwicklung des Offsetdrucks weitergehen könnte.

Vom Druckmaschinenwerk Planeta – wie die Dresden-Leipziger Schnellpressenfabrik ab 1938 hieß – kamen nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Abbau fast aller Produktionsanlagen im Rahmen der Reparationsleistungen einige Zeit keine Innovationen. Das änderte sich erst 1957 mit der Entwicklung einer Vierfarbenmaschine mit hoher Leistung, der Planeta PVO (Planeta Vierfarben Offset). Mit Spitzen-Druckleistungen von 9.000 Bogen/h bzw. 7.500 Bogen/h im Dauerbetrieb erregte sie 1960 auf der Leipziger Messe Aufsehen. 

Aggregatbauweise – erfunden in Radebeul

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Radebeuler aber schon weitere Ideen in der Schublade. Sie konstruierten und erprobten eine Aggregatmaschine im Dreizylindersystem und doppelt großen Druckzylindern und Übergabetrommeln. Als Planeta Variant wurde sie Im Jahr 1965 auf der Leipziger Messe erstmals präsentiert und war in vielerlei Hinsicht wegweisend. Die Bauweise dieser ersten Variant-Maschinen löste das zuvor angewandte Fünfzylindersystem ab und prägte Schritt für Schritt die weltweite Entwicklung von Bogenoffsetmaschinen. Bis heute werden weltweit nahezu alle Anlagen in dieser Bauweise – mit stetigen Verfeinerungen – produziert. Auf die Variant folgten Super-Variant, Varimat und Varitrend. Ab 1968 gab es eine automatisch umstellbare Bogenwendung für Aggregatmaschinen. Auch sie war eine Erfindung aus Radebeul.

  • Die Planeta Variant revolutionierte im Jahr 1965 die Bogenoffset-Technik. Mit ihr hielt die Aggregatbauweise Einzug, die sich bis heute weltweit durchgesetzt hat
  • Die Super-Variant gehörte neben der Varimat zu den wichtigsten Weiterentwicklungen der Maschinen in Aggregatbauweise

Alternativloses Konstruktionsprinzip

Was danach passierte, ist für Fachleute aus der Branche Allgemeinwissen. Bogenoffsetmaschinen wurden immer länger und länger. Zu den Druckwerken kamen Lacktürme, Trockenwerke und Trockenstrecken vor der Auslageverlängerung, später dann weitere Spezialaggregate für immer aufwendigere Inline-Veredelungen der Drucksachen. Leitstände übernahmen mehr und mehr Funktionen und unterstützten die Qualitätsüberwachung. Die Druckleistungen verdoppelten sich auf heute 18.000 und 20.000 Bogen/h. 1982 zeigte Planeta eine Super-Variant im Großformat mit sieben Farbwerken und Wendung nach dem ersten Werk. 1985 folgte eine Neunfarben- und 1986 eine Zehnfarbenmaschine. Sie galt über Jahre als längste Bogenoffsetmaschine der Welt. 

Mit der Fusion des Radebeuler Werks auf die Koenig & Bauer-Gruppe begann schließlich die Erfolgsgeschichte der Rapida-Serie. Die Maschinen beeindruckten mit aufwändigen und komplexen Funktionen. Heute ist es eine Mittelformat-Rapida von Koenig & Bauer, die den Rekord an Druck- und Veredelungsaggregaten hält. Es sind 19. Hinzu kommt eine ganze Reihe an Maschinen mit 18 und 17 Werken.

Die Entwicklung zeigt: Was vor 100 Jahren mit einfacher Technik begann, hat sich durch ständige Innovation zu einer Technologie entwickelt, die bis heute zukunftsträchtig ist. Als einziger Hersteller hat Koenig & Bauer Druck- und Weiterverarbeitungstechnik für einen kompletten Packaging-Workflow im Portfolio. Ein Markt, der stetig wächst. Und so werden Bogenoffsetmaschinen auch in den kommenden Jahren ihren festen Platz in den Druckbetrieben in aller Welt haben. Viele von ihnen werden auch dann noch „made in Radebeul“ sein. Fast wie vor 100 Jahren.